Ehrenamtliche Richterin

Ehrenamtlich tätig bin ich schon seit meiner Jugendzeit, als ich Kinder- und Jugendfreizeiten geleistet habe. Im Laufe des Lebens habe ich immer mal wieder ein Ehrenamt ausgeführt, z.B. im Verein oder als Wahlhelferin. Das habe ich immer gern gemacht, denn dadurch konnte ich einiges lernen. Außerdem traf ich immer wieder neue interessante Menschen.

Seit einiger Zeit bin ich Schöffin beim Landgericht in Münster. Hierbei habe ich viel darüber gelernt wie Gerichtsverhandlungen ablaufen. Ich habe einen Einblick in das Richteramt bekommen. Dabei war ich bei verschiedenen Verhandlungen tätig. Es ging um Drogen und Drogenhandel, um Berufungsverfahren bei Schlägereien und um Mord.

Für mich war das insofern interessant, da ich vorher keinerlei Berührung mit diesen Themen hatte. Neben der juristischen Sicht und den Gesetzten bringt es einen Einblick in das menschliche Wesen. Was bringt einen Menschen z.B. dazu zu morden? Keiner wird als Mörder geboren.

Schöffin werden

Wie wird man Schöffin? Oft wird man dazu berufen, aber in meinem Fall war es anders. Es gab einen Bericht zum Schöffenamt und einen damit verbundenen Aufruf in der Zeitung. Daraufhin habe ich mich gemeldet und irgendwann einen Brief vom Landgericht erhalten mit der Berufung zur Schöffin. Einhergehend gab es eine Belehrung über Rechte und Pflichten des Amtes. Ich musste alle privaten und beruflichen Daten von mir geben.

Weiterhin gab es eine Erklärung darüber, dass man Fahrtkosten mit öffentlichen Verkehrsmitteln erstattet bekommt und eine Entschädigung für einen Verdienstausfall, wenn man dazu eine Bescheinigung einreichen kann.

Eine Ablehnung nach der Berufung ist nur in Ausnahmefällen möglich. Im Übrigen ist jeder Staatsbürger zur Übernahme dieser ehrenamtlichen Tätigkeit verpflichtet.

Rechte und Pflichten des Schöffen

Schöffen sind, wie Berufsrichter, nur dem Gesetz unterworfen. Sie sind in ihrem Richteramt nicht an Weisungen gebunden und die oberste Pflicht ist Unparteilichkeit. Insbesondere müssen sie vor, während und angemessene Zeit nach der Verhandlung jeden privaten Kontakt mit den Verfahrensbeteiligten vermeiden. Weiterhin keine Erörterungen abgeben über den zur Verhandlung stehenden Fall. Eigene Ermittlungen sind untersagt.

Schöffen üben das Richteramt während der Hauptverhandlung in vollem Umfang und mit gleichem Stimmrecht wie die Berufsrichter aus. Sie tragen dieselbe Verantwortung für das Urteil wie diese. Sie entscheiden die Schuld- und Straffrage gemeinschaftlich mit den Berufsrichtern.

Schöffen nehmen an allen, während der Hauptverhandlung zu erlassenden Entscheidung, des Gerichts teil. Die Vorsitzenden können auch Fragen der Schöffen gestatten. Schöffen sind verpflichtet über Beratung und Abstimmung zu schweigen.

Vor der ersten Dienstleistung werden Schöffen in öffentlicher Sitzung des Gerichts vereidigt. Die Vereidigung gilt für die Dauer des Amtes.

Selbstverständlich muss man als Schöffe immer pünktlich zu jeder Verhandlung erscheinen. Tut man dies nicht, kann sogar ein Ordnungsgeld bis zu 1.000 € drohen.

Vorbereitung auf das Schöffenamt

Einerseits erhält man mit der Berufung zum Schöffen ein Merkblatt  zur Information für ehrenamtliche Richterinnen und Richter. Andererseits gibt es einen Besprechungstermin zur Vorbereitung auf das Amt. An diesem Termin habe ich natürlich auch teilgenommen.

Es dauerte einen ganzen Tag. Am Vormittag hat uns ein vorsitzender Richter am Landgericht  in das Schöffenamt eingeführt. Es folgten Erklärungen über die Hauptverhandlung, über Rechte + Pflichten des Schöffen und allgemeine Hintergründe über Gerichte, Spruchkörper und Rechtsmittel.

Nach der Mittagspause leitete der Oberstaatsanwalt die Informationsveranstaltung. Wir erfuhren etwas über die Stellung und Aufgaben der Staatsanwaltschaft.

Der Staatsanwalt informierte uns  über Grundbegriffe des materiellen Strafrechts mit den Besonderheiten des Jugendstrafrechts.  Auch wurden Fragen und Begriffe des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren behandelt.

Mein erster Verhandlungstag

Zwei Monate nach der Infoveranstaltung hatte ich meinen ersten Einsatz. Ich war ziemlich aufgeregt und schon sehr früh im Gericht. Bei jeder Ladung wird immer darauf hingewiesen, dass man rechtzeitig da sein soll, weil man sich am Eingang einer Untersuchung stellen muss. Ausweis muss vorgezeigt werden und Taschen werden überprüft. Dadurch kann es schon mal zu einem Stau und einer Schlangenbildung kommen.

Nun gut, es gab keine Probleme und so war ich eine viertel Stunde vor dem Verhandlungsbeginn im Gericht. Es war eine kurze Verhandlung, vielleicht als Einstieg ganz gut und ich kann mich auch nicht mehr an die Einzelheiten erinnern.

Ich lernte auf jeden Fall, dass ein Schöffe immer zuerst den Gerichtssaal betritt. Es gibt immer zwei Schöffen, einen Mann und eine Frau. Un die sitzen rechts und links vom vorsitzenden Richter. Oder neben den zusätzlichen Richtern, wenn drei Richter dabei sind, wie z.B. bei der gr0ßen Strafkammer. Um diese Reihenfolge einzuhalten, muss also ein Schöffe zuerst in den Saal, dann kommt der oder die Vorsitzende und dann der nächste Schöffe. Als Frau gehe ich eigentlich immer zuerst in den Saal, nach dem Motto: ladies first.

Kommt man in den Saal stehen alle, also Staatsanwalt, Angeklagter, sein Verteidiger, Zeugen und Öffentlichkeit auf. Alle bleiben solange stehen bis der oder die Vorsitzende sagt, dass man sich setzten kann. Auch wir Schöffen bleiben zunächst stehen.

Nachdem die Sitzung eröffnet wurde, läuft die Verhandlung nach bestimmten Regeln ab. Es wird die Anklage verlesen und Angeklagte und Zeugen werden auf ihre Rechte aufmerksam gemacht und dann befragt. Manchmal sind Gutachter und/oder Dolmetscher bei der Verhandlung.

Im Laufe der Jahre folgten weitere Verhandlungen, teilweise konnte nach einem Tag das Urteil gefällt werden. Manchmal waren mehrere Verhandlungstage in unregelmäßiger Folge nötig.

“Abschließendes Urteil”

Meine Zeit als ehrenamtliche Richterin neigt sich bald dem Ende. Bis zum Dezember 2018 werde ich noch tätig sein. In diesem Jahr hatte ich zwei Prozesse mit sehr vielen Verhandlungstagen. Einen Prozess fand ich besonders anstrengend, weil es so viele unterschiedliche Menschen gab, die als Zeugen gehört wurden. Jeder schilderte ein Ereignis aus seiner Perspektive. Daraus ergibt sich manchmal ein Bild, das man zusammensetzten kann um zum Schluss ein Urteil zu fällen. Manchmal passen aber die gesagten Dinge so gar nicht zusammen.

Doch ich muss sagen, dass man nach Anhörung aller Aussagen sich doch ein gutes Bild über die einzelnen Vorgänge machen kann. Und die Sorge, die ich anfangs hatte, eventuell nicht die richtige Entscheidung zu treffen, hat sich im Laufe der Zeit nicht erfüllt. Man bekommt meistens schon ein ziemlich klares Bild vor Ort, um dann eine richtige Entscheidung zu treffen.

Für mich war und ist die Zeit des ehrenamtlichen Richters eine sehr interessante Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Ich habe sehr viel gelernt, aber auch sehr viel über die Abgründe der Menschen erfahren. Diese Abgründe beschäftigen mich und wir diskutieren hin und wieder im Freundeskreis über diese Abgründe und warum das so ist.

Neues Ehrenamt für mich

Die Regeln, die sich Menschen geschaffen haben, und die sich unter Umständen daraus ergebenden Abgründe der Menschen, die zu Ungerechtigkeit und schrecklichen Taten führt ist nach wie vor eine Beschäftigung für mich. Ich denke viel darüber nach, diskutiere mit anderen Menschen und habe mir ein neues Ehrenamt gesucht.

Und zwar helfe ich nun versklavten Mädchen in Nepal. Ich bin im Verein profilia e.V. tätig und organisiere den YOGA SOMMER MÜNSTER, in diesem Jahr zum dritten Mal, als Charity-Veranstaltung.